Wednesday, February 22, 2006

Bilderverbot West

Die Georg-Weerth-Gesellschaft in Köln hat Ärger mit dem Staatsschutz und den Gerichten. Der Grund sind antiislamische Karikaturen, die sie auf ihrer Website veröffentlichte. von horst pankow

Als am 11.Februar das Handy von Jens M. klingelte, ahnte der junge Kölner noch nichts von der Unruhe, die der Anruf in sein Leben bringen würde. Der Mann am anderen Ende stellte sich als Mitarbeiter des Kölner Staatsschutzes vor, er müsse ihn dringend warnen, denn er befinde sich in »erheblicher Gefahr für Leben und Gesundheit«. M. ist Mitglied der Kölner Georg-Weerth-Gesellschaft und Anmelder ihrer Homepage (www.gwg.koeln.com).
Die Gesellschaft versteht sich im Sinne ihres Namenspatrons als linke Initiative, die sich sozialer und politischer Emanzipation verpflichtet fühlt. Im Zentrum ihrer auf Publikationen und öffentliche Diskussion ausgerichteten Aktivitäten steht die kritische Analyse der deutschen Zustände nach der so genannten Wiedervereinigung und neuerdings die Kritik deutscher Islamophilie und eines als Antizionismus camouflierten Antisemitismus.
Nahe liegend, dass man sich auch des Karikaturen­streits annahm. Auf ihrer Website veröffentlichte die Gesellschaft neben den dänischen Mohammed-Karikaturen auch ein »eigenes Werk«: Dem bekannten Foto eines Ossis, der angesichts des Rostock-Lichtenhagener Pogroms von 1991, die Kontrolle verlor und mit pissedurchtränktem Jogging-Anzug den Hitler-Gruß entbot, war ein Vollbart aufmontiert und das Wort »Mohammed« nebst einem Pfeil hinzugefügt worden.
Der Staatsschützer verlangte die sofortige Rücknahme der Karikatur, andernfalls könne er für nichts garantieren. Weil »polizeilicher Personenschutz« möglicherweise angeraten sei, erkundigte er sich nach der Wohnsituation von Jens M.: Welche Etage, welche Fenster nach vorn, welche zum Hof?
Ein Anruf der Gesellschaft beim Kölner Staatsschutz ergab jedoch: Konkrete Drohungen von islamistischer Seite lagen bis dahin noch nicht vor. Dafür forderte der Staatsschutz noch einmal die Löschung der beanstandeten Karikatur, anderenfalls müsse Jens M. »mit den Konsequenzen leben«. Der Staatsschützer gab sich schließlich resigniert: »Ich kann es ihnen ja nicht verbieten – noch nicht.«
Mochten die Mitglieder der Georg-Weerth-Gesellschaft dies noch als Hoffnung des Staatsschutzes auf baldige islamophile Verschärfung des deutschen Medienrechts interpretieren, fanden sie sich am Folgetag eines anderen belehrt. Da trudelte »vorab per e-mail« eine Botschaft der Bezirksregierung Düsseldorf ein: »Sie betreiben ein Internetangebot mit der o. a. Adresse. Unter diesem Angebot vertreiben Sie Darstellungen und Äußerungen, die offensichtlich darauf ausgerichtet sind, den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise zu beschimpfen, die geeignet ist, den öffent­lichen Frieden zu stören. Handlungen solcher Art sind nach Paragraf 166 StGB strafbewehrt.«
Zwei Tage habe der Empfänger Zeit, durch seine Äußerung und vor allem die Löschung der Karikatur eine »Un­ter­sa­gungs­­verfügung« nebst Zwangsgeld zu vermeiden. Paragraf 166 ist der alte, leicht modifizierte, deutsche »Gotteslästerungsparagraf«. Seine aktuelle Fassung droht der »Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschau­ungs­­vereinigungen«, die »geeignet ist, den öffent­lichen Frieden zu stören«, eine »Frei­heitsstrafe bis zu drei Jahren« oder eine Geldstrafe an.
Das nächste Schreiben kam von dem für die Web­site der Weerth-Gesellschaft zuständigen Internetprovider »1&1 Internet AG«. Darin ging es allerdings nicht um Karikaturen: »Wir wurden vom Polizeiprä­sidium Münster (…) darauf aufmerksam gemacht, dass Sie (…) einen Inhalt wiedergegeben haben, der gem. Paragraf 353d Abs. 3 StGB strafbar ist.« Die Homepage wurde gleichzeitig vom Provider gesperrt. Der Paragraf 353d Abs. 3 droht Menschen, die eine »Anklageschrift oder andere amtliche Schrift­stücke eines Strafverfahrens« vor Beendigung des juristischen Procedere veröffentlichen, eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe an.
Tatsächlich hatte die Georg-Weerth-Gesellschaft auf ihrer Homepage auch einen Text über die Ak­tion eines Münsterländers veröffentlicht, der im vergangenen Sommer 15 Blatt Toilettenpapier mit der Aufschrift »Koran, der heilige Qur’an« bedruckt und an verschiedene deutsche Medien und islamische Einrichtungen verschickt und den Koran als »Kochbuch für Terroristen« bezeichnet hatte. Ab 23.Februar soll zunächst vom Amtsgericht der nord­rhein-westfälischen Kleinstadt Lüdinghausen wegen Vergehens gegen Paragraf 166 StGB verhandelt werden, Berufungsinstanz wird das Landgericht Münster sein. Indirekte Initiatorin des Verfahrens war die Islamische Republik Iran, die über ihre Botschaft am 19.Juli eine »Verbalnote« an das deutsche Außenministerium geschickt hatte.
Auch die Internetpublizistin Gudrun Eussner, die bereits Ende des vergangenen Jahres über die Klopapieraktion des Münsterländers berichtet hat, sieht sich mit einem Ermittlungsverfahren nach Paragraf 353d Abs. 3 StGB konfrontiert. Zuletzt wurde sie am 15.Februar vom Staatsschutz in Münster angerufen. Man warf ihr vor, der in Lüdinghausen Angeklagte sei nun wegen ihrer Veröffentlichung einer Lebensbedrohung durch Islamisten ausgesetzt.
Die Georg-Weerth-Gesellschaft entfernte den Text von ihrer Website, worauf diese wieder aktiviert wurde. Dennoch bekam sie bald neue Post vom Provider: »Abermals wurden wir von einer Behörde bezüglich der auf der bezeichneten Präsenz hinterlegten Inhalte angeschrieben, diesmal von der Bezirksregierung Düsseldorf. Auf der Startseite ist eine Fotomontage mit der Überschrift ›Mohammed‹ hinterlegt, welche gem. Paragraf 166 StGB einen strafbaren Inhalt darstellt. Diesbezüglich wurde von der Bezirksregierung die Bearbeitung des Sachverhalts durch die zuständige Staatsanwaltschaft zugesichert.«
Knapp eine Woche nach dem Anruf des Staatsschützers – die anstößige Karikatur ist bereits von der Website entfernt – erhält Jens M. einen Brief von der Polizei: Er möge sich zur Vernehmung einfinden zwecks Ermittlungen wegen »Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen«, d. h. wegen gotteslästerlichen Verstoßes gegen den deutschen Gotteslästerungsparagrafen 166. Am 23.Februar soll voraussichtlich am Amtsgericht Lüdinghausen der Prozess gegen M. beginnen.
Wie schrieb Georg Weerth hoffnungsvoll in seinem Postkutschen-Spottgedicht? »Die Re­ligion wird abgeschafft / Nicht glauben soll man an Rhenus. / (…) und nicht / an die Mediceische Venus. / (… )/ Ja, weder an Odin glauben noch Thor / An Allah nicht und an Brahma / Die ›Rheinische Zeitung‹ bleibt / Der einzige Dalai Lama.«

jungle-world.com