Tuesday, February 28, 2006

"Ein richtig schlechter Film" - Popcorn,Nachos und Islamo-Faschos


© ddp
Die jungen Leute in Saal 1 des Kinos in Berlin-Neukölln haben sich mit Popcorn und Nachos auf einen entspannten Montagabend eingestellt. Claudia Roth schlürft Limonade. Die Grünen-Vorsitzende will sich mit Parteifreunden "Tal der Wölfe" anschauen, auf Türkisch mit deutschen Untertiteln.
Sie findet es "unseriös", über den Film zu urteilen, ohne ihn gesehen zu haben. Dass ihr der Film nicht gefallen wird, weiß Roth aber schon, bevor er begonnen hat. Dass ihr heftiger Gegenwind entgegen wehen wird bei der anschließenden Diskussion, kann sie höchstens ahnen.
Deutliche Emotionen des Publikums bleiben fast bis zum Schluss des Films aus. Dann, als der türkische Held den bösen Amerikaner umbringt, sind freudige Lacher, Applaus, ein paar Pfiffe zu hören. Eine kleine Brise nur, die aber schon den Orkan ankündigt, der kurz danach über Roth hereinbrechen wird.
Nach der Vorführung redet Roth Klartext. Der Film sei voller Klischees und gewaltverherrlichend. "Aber ich finde den Film nicht volksverhetzend", fügt Roth hinzu. Ein Verbot lehnt sie daher ab, man müsse die Auseinandersetzung über den Film suchen. Mit einer künstlerischen Darstellung habe er überhaupt nichts zu tun: "Der Film ist einfach nur richtig schlecht", meint Roth und reißt damit den Graben auf zwischen sich und den Zuschauern im Saal.
"Der Film war gut", deklamiert ein Mann mit großer Gestik, denn: "Er war gegen Amerika". "Der Film zeigt die Realität", ruft ein anderer nach vorne. Es sind keineswegs nur junge Türken, die ihren Emotionen Luft verschaffen. Das Publikum sieht den Film als Appell gegen die US-Besatzer. Der Hass gegen die Politik der USA verbindet. Ein Kinozuschauer stellt die Debatte über den Film in Frage: "Was zeigen denn die amerikanischen Filme?"
Es wird laut dazwischen gerufen und durcheinander geredet. Auch Roth wird lauter: "Lasst mich doch mal ausreden", empört sie sich. Der Film knüpfe an schlimme Situationen an, die passiert seien, eine Aufarbeitung leiste er aber "sicher nicht", versucht sie sich an einer Argumentation. "Jetzt geht doch nach Hause, ihr wollt uns nur belehren", schallt es von jemandem zurück.
Roth wollte einen Dialog. Nun muss sie sich Anschuldigungen anhören: Dass sie die Leute aufstacheln würde, dass sich Deutschland am Irak-Krieg beteilige, dass sie die Trennung der Nationalitäten fördere. Roth widerspricht tapfer. "Sie hören doch nur das, was sie hören wollen", beklagt ein junger Mann und geht.
Die Grünen-Chefin gibt nicht auf und hört zu, mit verschränkten Armen, die Mundwinkel nach unten. Sie erklärt und versucht einzuordnen. Sie verurteilt den Irak-Krieg, zeigt sich entsetzt über die Übergriffe im irakischen Gefängnis Abu Graib, spricht das Kurden-Problem an. Sie äußert sich besorgt über Tendenzen im Film, die den Antisemitismus in der Türkei nährten, obwohl es den bisher eigentlich nicht gebe. Es ist fast niemand mehr da, der ihr zuhört.
Kurz vor Mitternacht geht die offizielle Diskussion zu Ende. Roth verkündet, sie sei froh über die ehrlichen Reaktionen: "Man sieht, was in den jungen Leuten los ist", sagt sie und fügt an, es sei doch immerhin gut, dass "das, was sich gegen Politiker aufgestaut hat, heraus kommen konnte". Ihre Stimme klingt müde - und ein bisschen trotzig.
(ddp)

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