Sunday, April 05, 2015

Nach dem Karlsruher Urteil: Mit Kopftuch, aber ohne Weihnachtsfeier?

Eben deshalb, wegen seiner politischen Symbolik und nicht wegen seines religiösen Bekenntnisaspekts, hätte das Tragen des Kopftuchs im öffentlichen Dienst untersagt werden müssen. Damit wäre nicht unterstellt, dass jede einzelne Trägerin eines islamischen Kopftuchs sich einer antidemokratischen Haltung verbunden fühlt. Aber wenn und solange das Kopftuch als ein politisches Symbol in diesem Sinne verstanden werden kann, hätte das Gebot der politischen Mäßigung für Beamte der Grund für entsprechende Verbote sein können. Das hätte auch die Möglichkeit eröffnet, diese Verbote wieder aufzugeben, wenn antifreiheitliche Strömungen im Islam an politischer Relevanz verlieren sollten. Allerdings hätte man dafür eine offensive Debatte um diese Strömungen auch in europäischen Einwanderermilieus führen müssen.
Aber für einen solchen Weg fehlte den Ländern offenbar der Mut oder die juristische Phantasie. Dabei gibt es auch andere Fälle, in denen politisch konnotierte Kleidungen nicht getragen werden dürfen. Dies gilt beispielsweise für bestimmte Marken, die allein deswegen für Beamte und sogar für Schüler untersagt werden können, weil sie in rechtsextremen Milieus populär sind. Stattdessen wurde im Fall des Kopftuchs das Argument der religiösen Neutralität des Staates bemüht, ein Weg, der nun gescheitert ist.
Auf der anderen Seite hat das Bundesverfassungsgericht dieses Argument der religiösen Neutralität nun in einer Weise aufgegriffen, die fatale Folgen für schulische Bildung haben kann. In der öffentlichen Debatte noch kaum beachtet, hat das Gericht beinahe en passant eine auf Bildungsinhalte beziehbare Festlegung des nordrhein-westfälischen Schulgesetzes für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt. In Paragraph 57 Absatz 4 dieses Gesetzes wird klargestellt, dass die „Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen“ nicht dem Neutralitätsgebot der Schule widerspricht.
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