Monday, April 13, 2015

Obama-Doktrin und Atomstreit mit Iran

Von Wolfgang G. Schwanitz 

 In ihren ausgehenden beiden Amtsjahren neigen amerikanische Präsidenten dazu, selbst ihr Erbe zu definieren. Menschlich erklärlich und inhaltlich ein Problem, lösen sie Debatten von Lob bis Hass aus. Jedoch in den Tälern und Höhen der Zeitgeschichte wandernd, kann niemand die höchsten Gipfel erklimmen und über Zeitränder schauend urteilen. Das bleibt, zum Glück, nächsten Generationen vorbehalten. Die revidieren ihre Ansicht aller Jahre. Da Präsident Obama die "Obama-Doktrin" ansagte, lohnt eine Kritik im Licht des Atomstreits.
Samstagnachmittag plauderte der Präsident. Jedoch bestätigte sein Befrager von der New York Times am 4. April dessen "Obama-Doktrin" angesichts des Atomstreits: "Wir werden uns engagieren, aber uns alle Möglichkeiten offenhalten." Eine Doktrin ist ein System von Leitlinien. Aber dies hier sagt wenig. Jeder mit einer Aufgabe setzt sich ein und hält sich Optionen offen, um das Ziel durch Auswahl zu erreichen. Man kann Thesen ebenso durch ihre Umkehr prüfen: "Wir engagieren uns mit dem Gegner Iran nur diplomatisch, um Krieg zu verhüten, indessen wir Israel zügeln." Sagt Obama das Gegenteil, von dem, was er tut?
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Pro und – Contra zur "Obama-Doktrin", Weißes Haus, 4. April 2014

  • Der Verteidigungshaushalt Irans ist 30 Milliarden Dollar, Amerikas 300: Iran versteht, es kann uns nicht bekämpfen.
    Ähnliches galt mit Vietnam und doch gewann es insgesamt, obzwar Iran viel expansiver ist.
  • Wir können den Atomstreit diplomatisch lösen, wer weiß, vielleicht ändert sich Iran?
    Als es 2009 nach den Wahlen dort geboten war, dem Wähler beizustehen, versagte Obama, redete von "Nichteinmischung".
  • Würde Israel angegriffen werden durch Iran, Amerika stünde Israel bei.
    Trotz all dieser Worte untergrub Obama über Jahre Israel. Dessen Feinde führten Raketenkriege. Iran expandiert. Es mangelt an Vertrauen.
  • Obama wolle nicht als "anti-Israel" dastehen. Er tue alles, um dessen strategische Vormacht zu bewahren.
    Dies mag sein. Jedoch ermunterte er Israels Gegner öfter, darunter in der UN zu Siedlungen vorzugehen.
  • Bei aller Gemeinsamkeit gebe es strategische Differenzen.
    Sicher, doch der Rahmenentwurf und Fehler, Iran Anreicherung und Expansion zu erlauben, machen den Krieg Israels gegen Iran nur wahrscheinlicher.
  • Obama verletzten die Worte, er habe nicht alles für Israels getan.
    Seine Weigerung, die Geschichte des Islamismus zu erkennen, begünstigte nur die Expansion der Islamisten Irans und der Region gegen Israel.
  • Laut Obama sei Teherans anti-amerikanische, anti-semitische und anti-israelische Rhetorik tief störend.
    Er verkennt die Natur des Regimes. Es will den Machtausbau, kaum "zurück in den Kreis der Nationen".
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Obama träumt von harter Inspektion, das Nuklearprogramm einzufrieren, belässt aber die Infrastruktur. Geheimdienste übersahen zweimal Geheimanlagen, die in Natanz und Fordo. Obamas Wort ist fraglich, "zu wissen, wenn sie betrügen". Was wäre daher zu verändern?

Ergänzungen

Aus Israel meldete sich Geheimdienstminister Yuval Steinitz am 6. April. Auf seiner Liste, jenen Paktentwurf zu verbessern, sind sechs Punkte. Forschung zu neuen Zentrifugen sei einzustellen, deren Zahl zu senken, Fordo als Anreicherungsstätte zu schließen und Iran zu bewegen, seine vorherigen Aktivitäten mit militärischer Dimension offen zu legen, darunter auch gegenüber einem Dutzend Fragen seitens der Internationalen Behörde für Atomenergie. Ohnedem sollten Sanktionen nicht aufgehoben werden. Überdies mögen das angereicherte Material außer Landes gebracht und "überall, jederzeit Inspektionen" erlaubt werden. Hier sei allein angemerkt, dass Russland als mögliches Ziel einer solchen Ausfuhr ein denkbar unzuverlässiger Partner wäre. Die Europäer mögen nur an die Ukraine denken.
Ein Einwurf Obamas geriet interessant. Am selben Tage meinte er, die Idee, man könne Iran dahin bringen, nicht nach Nuklearwaffen zu streben durch einen überprüfbaren Pakt und Israel anzuerkennen, käme dem gleich, zu sagen, wir werden nur dann ein Abkommen unterzeichnen, wenn sich die Natur des iranischen Regimes völlig verändert habe. Dies sei doch eine fundamentale Fehleinschätzung. Sein ungesagtes Fazit: die Mächte können nicht von Teheran erwarten, Israel nicht mehr zu bedrohen und dessen Existenz anzuerkennen.
Dies wäre doch gegen die Natur des Regimes. Frage: Läuft dann nicht generell jeder Pakt gegen die Natur eines theokratischen Regimes, das stets seine expansive Doktrin realisiert? Während Iran alle Machtmittel einsetzt, schreckt der Westen fortwährend zurück, nicht nur seit 18 Monaten, nachdem dieser Entwurf aufkam, sondern seit einem Dutzend von Jahren. Bislang hat Teheran diese Zeit für Nuklearaufbau und Expansionen benutzt, eben in Jemen.
Wer die "Obama-Doktrin" prüft, stellt also zwei Hauptdefizite fest: die linksideologische Weigerung, die Geschichte und Gegenwart des Islamismus zu begreifen und ein offensives Abwehrprogramm, den Antiislamismus, zu entfalten. Obama erkannte es früh. Am 23. Mai 2013 sagte er, keine langfristige Antiterror- oder Anti-Extremismusstrategie zu haben, und dazu einer Debatte zu bedürfen. Seine nächste Umgebung ließ ihn dabei im Stich, der indes immer wieder betont hatte, dies habe nichts mit dem Islam zu tun und seine Administration blind machte. Sein Ersatzkonzept vom "Extremismus" ist nichts sagend -- und schlägt fehl.
Obama hätte am meisten von Abd al-Fattah as-Sisi lernen können, der am 20. März im Wall Street Journal erklärte, Fehlkonzeptionen vom Islam seien vor 100 Jahren installiert worden und heute sehe man die Resultate. Doch infolge der Weigerung Obamas, überhaupt die islamistische Spur zu verfolgen, konnte er auch nicht das Ringen der Ägypter erkennen. Im Gegenteil. Als die Coupvolte kam, gängelte er sie und stellte die zugesagte Hilfe zurück. Unter seinem Motto der "Inklusivität" wären nun wieder die Muslimbrüder einzubeziehen.
Ex-Außenminister Henry Kissinger betonte, Amerika habe stets Probleme, Strategien zu formulieren. Am 7. April schrieb er mit seinem Amtskollegen George P. Shultz im Wall Street Journal, der Rahmenpakt sei eine einseitige amerikanische Interpretation. Iraner hätten Abschnitte daraus gar als Spinnerei verworfen. Der Versuch, im Falle eines Verstoßes durch Iran, Sanktionen wieder einzuführen, würde eher Amerika als Iran isolieren. Teheran suche ein antiwestliches Ordnungskonzept von Jihad und Revolution.
 gatestoneinstitute

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