Wer meint, Amelie Frieds Dankbarkeit darüber, dass ihr von
Flüchtlingen eine Gitarre geklaut wurde, könnte nicht getoppt werden,
hat sich geirrt. Alan Posener nannte es in der WELT das
„Meinhof-Syndrom“ und unterlegt es mit einem Zitat der berühmten
Terroristin: "Tendenziell ist alles, was ein Prolet macht, richtig; und
alles, was ein kleinbürgerlicher Intellektueller macht, falsch."
Im deutschen Jahr 2016 sind richtig und falsch jedoch bereits
überholte Kategorien. Womöglich sind sie eurozentristisch und stehen in
der Tradition der Kolonialisten, Imperialisten und Rassisten.
Eine 24-jährige Sprecherin der Linksjugend, der Jugendorganisation
der Partei Die Linke, wurde in den letzten Januar-Tagen in einer kleinen
Parkanlage ihrer Stadt von zwei bis drei jungen Männern vergewaltigt.
Sie sollen arabisch oder kurdisch gesprochen haben. Das ist zumindest
die Beschreibung in der Lokalpresse. Die Vergewaltigung wurde bei der
Polizei zur Anzeige gebracht.
Bis hierhin ist es einer von vielen Fällen, wie sie in der
Bundesrepublik leider täglich vorkommen: männliche Gewalt gegen Frauen,
in diesem Fall vielleicht befeuert von einem religiös imprägnierten
Frauenbild, das Frauen in Huren und in Heilige aufteilt.
Während Amelie Fried den Verlust ihrer Gitarre noch in einen
pädagogischen Sieg umdeuten konnte ("Wir waren froh, dass die Jungs
unsere Gitarre behalten hatten. Die Lektion, die wir dadurch gelernt
haben, war deutlich mehr wert als das Instrument.“), geht die
vergewaltigte Linken-Politikerin noch einen Schritt weiter. Statt sich
nur bei ihrem Peiniger zu bedanken („Fried-Syndrom“), entschuldigt sie
sich sogar pflichtgemäß.
Aber lesen Sie selbst (vollständiger Text inkl. Rechtschreib- und Grammatikfehlern von ihrer Facebook-Seite):
Lieber männlicher Geflüchteter,
vermutlich in meinem Alter. Vermutlich ein paar Jahre jünger. Ein bisschen älter.
Es tut mir so unfassbar Leid!
Vor fast einem Jahr habe ich die Hölle gesehen, aus der du
geflohen bist. Ich war nicht direkt am Brandherd, aber ich habe die
Menschen in dem Flüchtlingslager in Südkurdistan besucht. Habe alte
Großmütter gesehen, die sich um zu viele elternlose Kinder kümmern
müssen. Ich habe die Augen dieser Kinder gesehen, einige haben ihr
Leuchten nicht verloren. Ich habe aber auch die Kinder gesehen, deren
Blick leer und traumatisierend war. Ich habe mir von ca 20 ezidischen
Kindern in ihrem Matheunterricht arabische Schriftzeichen zeigen lassen
und weiß noch, wie ein kleines Mädchen angefangen hat zu weinen, nur
weil ein Stuhl umfiel.
Ich habe einen Hauch der Hölle gesehen, aus der du geflohen bist.
Ich habe nicht gesehen, was davor geschehen ist und auch deine strapaziöse Flucht habe ich nicht miterleben müssen.
Ich bin froh und glücklich, dass du es hierher geschafft hast.
Das du den IS und seinen Krieg hinter dir lassen konntest und nicht im
Mittelmeer ertrunken bist.
Aber ich fürchte, du bist hier nicht sicher.
Brennende Flüchtlingsunterkünfte, tätliche Angriffe auf Refugees und ein brauner Mob, der durch die Straßen zieht.
Ich habe immer dagegen angekämpft, dass es hier so ist.
Ich wollte ein offenes Europa, ein freundliches. Eins, in dem ich
gerne leben kann und eins, in dem wir beide sicher sind. Es tut mir
Leid.
Für uns beide tut es mir so unglaublich Leid.
Du, du bist nicht sicher, weil wir in einer rassistischen Gesellschaft leben.
Ich, ich bin nicht sicher, weil wir in einer sexistischen Gesellschaft leben.
Aber was mir wirklich Leid tut ist der Umstand, dass die
sexistischen und grenzüberschreitenden Handlungen die mir angetan wurden
nur dazu beitragen, dass du zunehmendem und immer aggresiverem
Rassismus ausgesetzt bist.
Ich verspreche dir, ich werde schreien. Ich werde nicht zulassen,
dass es weiter geschieht. Ich werde nicht tatenlos zusehen und es
geschehen lassen, dass Rassisten und besorgte Bürger dich als das
Problem benennen.
Du bist nicht das Problem. Du bist überhaupt kein Problem.
Du bist meistens ein wunderbarer Mensch, der es genauso wie jeder andere verdient hat, sicher und frei zu sein.
Danke, dass es dich gibt - und schön, dass du da bist.
Name und Screenshot der Facebook-Seite liegen dem Verfasser vor.
Markus Vahlefeld betreibt den Blog http://www.der-gruene-wahn.de
achgut / Markus Vahlefeld
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