Diese Worte schreibe ich wohlgemerkt aus dem virtuellen Gefängnis, in
das man mich mittlerweile zum zweiten Mal gesperrt hat. Dieses Mal für
sieben, statt für drei Tage, weil ich ja Wiederholungstäter bin und mir
ganz offensichtlich nicht die Facebook-Gemeinschaftsstandards
durchgelesen habe, wie man es mir schon beim letzten Mal auftrug. Der
Grund: ein Post gegen die Vollverschleierung von Frauen. Spontan in
wenigen Sekunden verfasst. Hierin monierte ich die Zeit, die wir in
Deutschland brauchen, um „einen Stoffsack“ zu verbieten, der gegen alles
spricht, was unsere westliche Werte ausmacht. Genau genommen habe ich
das Wort Burka also nicht einmal erwähnt, aber man weiß natürlich,
worauf ich anspiele und dass ich mich damit indirekt, wie viele andere,
für ein Verbot dieses Symbols der Unterdrückung der Frau ausspreche.
Michael Hanfeld schreibt in der FAZ,
dass die Burka nichts mit Religion und Freiheit zu tun habe und dass
sie Ausdruck von Frauenverachtung und Unterdrückung sei. Auch er spricht
sich wie ich für ein Verbot aus. In Bayern kündigt Innenminister Herrmann im Bayrischen Rundfunk
unterdessen bereits das Verbot der Burka im öffentlichen Raum an. Und
auch CDU-Politiker Jens Spahn spricht sich in diesen Tagen immer wieder
für ein Burka-Verbot aus – zuletzt ebenfalls in der FAZ.
So bezweifelt Spahn, dass es sich beim Tragen der Burka um eine freie
Entscheidung handele. Stattdessen würden Burka und Niqab die angebliche
Minderwertigkeit der Frau zum Ausdruck bringen. Insgesamt würden sie
Werte verkörpern, die nicht zur deutschen Gesellschaft passen und seien
daher zu verbieten. Davor hatte Spahn bereits Ende Juli in einem
Interview mit der WELT zu Protokoll gegeben, dass er „burkaphob“ sei.
Ich frage mich, was passieren würde, wenn man Julia Klöckner
oder Jens Spahn für ihre Äußerungen, die im Prinzip genau das gleiche
aussagen wie meine, sperren würde. Der Aufschrei wäre groß und
vermutlich würde es die Leitmedien endlich dazu bringen, sich konsequent
und der Tragweite des Themas gerecht werdend, mit den zunehmenden
Fällen von willkürlichen Sperrungen auseinanderzusetzen. Auch würde es
wohl Teile der Politik endlich für das Thema sensibilisieren.
Vermutlich geht es nicht um die Burka. Man nimmt die
Auseinandersetzung darüber zum Anlass, um regierungskritische Stimmen
zum Schweigen zu bringen. Kritik wird als “Hate-Speech” von
irgendwelchen Stiftungen definiert und dann von Facebook gesperrt. Dabei
handelt es sich um ein illegitimes Verfahren: Dem Strafrecht stehen
genügend Mittel zur Verfügung, um Volksverhetzung, Beleidigung oder
Ehrabschneidung zu verfolgen.
Das große Problem ist, dass viele Menschen erst ein Gespür für
Unrecht entwickeln, wenn sie selbst davon betroffen sind. So lange
Michael Hanfeld unbehelligt darüber schreiben darf, dass die Burka
nichts mit Religion und Freiheit zu tun hat, so lange sich Jens Spahn
als „burkaphob“ bezeichnen kann, ohne den virtuellen Maulkorb verpasst
zu bekommen, so lange wird kein breites Bewusstsein in Medien und
Politik darüber herrschen, in welchem Ausmaß die Meinungsfreiheit
mittlerweile eingeschränkt wird.
Denn es ist nicht nur die Tatsache, dass gesperrt wird, sondern vor
allem auch die Intransparenz, von der diese Sperrungen begleitet werden,
die zum Problem für die Demokratie und der ihr innewohnenden
Meinungsfreiheit wird. Ein Verweis auf denkbar allgemein formulierte
Gemeinschaftsstandards hilft da wenig. De facto gibt es für Betroffene
keine Begründung. Kontakt zu Facebook aufnehmen? Unmöglich.
Herausfinden, nach welchen Mustern überhaupt vorgegangen wird? Ebenso.
Selbst das Anfertigen von Screenshots im Nachhinein scheint nicht mehr
möglich zu sein, da ich bei dieser Sperrung im Gegensatz zur ersten
keine E-Mail bekommen und auch den Grund der Sperrung nicht mehr
aufrufen kann. Vielleicht hat man inzwischen mitbekommen, dass wir
sammeln, aber auch das ist und bleibt lediglich Spekulation.
Tatsache ist, dass Facebook sperrt. Gerne wird in diesem Zusammenhang
auf das Hausrecht verwiesen, welches Facebook als Privatunternehmen
genießt. Dies stimmt jedoch allenfalls nur zum Teil, da Facebook im
Bereich des Social Media eine Monopolstellung besitzt und in einem
solchen Fall wiederum andere Regeln gelten. Tatsache ist auch, dass das
Unternehmen auf Druck des Bundesjustizministeriums
erst seit einigen Monaten gegen vermeintliche Hassbotschaften im Netz
vorgeht und hierbei bestimmten Kriterien folgt. Ob das die bloße Anzahl
der eingegangenen Meldungen ist oder bestimmte Signalwörter sind, bleibt
dabei jedoch ebenfalls im Verborgenen. Facebook selbst streitet
vehement ab, dass die Anzahl der Meldungen eine Rolle spielen. Jeder
Post würde auf den Inhalt überprüft werden, was es jedoch nur noch
absurder macht. Auffällig ist und bleibt nämlich die große Asymmetrie …
Während asyl- und/oder islamkritische Posts verhältnismäßig oft
gelöscht und die Autoren teils hunderte von Tagen gesperrt werden,
erweist sich eine Meldung von islamistischen und zutiefst
antisemitischen Äußerungen nur allzu oft als sinnlos. Während der eine
mit abgetrennten Kopf posiert, eine IS-Flagge als Profilbild hat oder
wild auf Islamseiten die Vergasung aller Juden fordert, ohne auch nur
irgendetwas von Facebook befürchten zu müssen, wird unsereins aufgrund
von Äußerungen gesperrt, bei denen sich nicht mal im Ansatz irgendein
Rassismus nachweisen lässt und die Tatsache, dass man sich an niemanden
in dieser Frage wenden kann, macht es zu einer diktatorischen Maßnahme,
die in einer Demokratie nichts zu suchen hat und diese zutiefst
beschädigt.
Dabei ist es gerade einmal drei Jahre her, dass ich in Braunschweig,
noch unter linken Vorzeichen, für Edward Snowden demonstrierte. Kaum
einer interessierte sich damals für seine Enthüllungen. Der Großteil der
Menschen war der Überzeugung, dass man ja nichts zu verbergen hätte.
Bereits da machte ich darauf aufmerksam, dass es nicht der Ist-Zustand
ist, der zählt, um die negativen Konsequenzen der Netz-Überwachung zu
beurteilen. Dass es darauf ankommt, WER entscheidet und dass Recht schon
morgen zu Unrecht werden kann, wenn plötzlich die Falschen darüber
entscheiden, was gesagt werden darf und dass man dann vielleicht doch
mit einem Mal eine Menge zu verbergen hat.
Wie gesagt, hat das damals niemanden wirklich interessier, außer
ironischerweise die Linken, denen genau das heute ganz recht zu sein
scheint. Unweigerlich frage ich mich, wie lange es nun dauern wird, bis
es die Mehrheit interessiert. Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass
ich mich, wenn ich das Gefühl habe, es geschieht Unrecht, als Bürger
zur Wehr setzen kann. Dass es Organe gibt, die meine Freiheit und damit
auch die Meinungsfreiheit schützen und vor allem, dass ich im
Zweifelsfall jene, die mich in meinen Augen unfair behandeln, abwählen
kann.
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